Korsika: Hochgebirgsinsel im Mittelmeer

Korsika: Hochgebirgsinsel im Mittelmeer
Korsika: Hochgebirgsinsel im Mittelmeer
 
Korsikas Landschaft ist vor allem von seinem Zentralgebirge geprägt, dessen von Nordwesten nach Südosten verlaufender Kamm die Insel in zwei Teile gliedert: in den sanfteren Osten mit einer Küstenebene und Sandstränden und in den wilderen Westen mit einer Golfkette und Steilküsten. Der Großteil der Insel wird von der Macchie bedeckt, in günstigen Lagen wird Landwirtschaft betrieben; die meisten der einheimischen Pflanzen begegnen im Hochgebirge.
 
Etwa 40 % der Bevölkerung leben in einer der zwei einzigen größeren Städte Korsikas, Bastia oder Ajaccio, den Hauptstädten der beiden französischen Verwaltungsbezirke Haute-Corse (1995: 135 000 Ew.) und Corse-du-Sud (124 000 Ew.). Bastia im Nordosten ist das Handelszentrum der Insel. Korsikas lang gestreckte Nordspitze bildet das karge Cap Corse, zum Westen hin folgen das fruchtbare Nebbio und die Balagne mit Calvi als Touristenzentrum und einem idyllischen Hinterland. Die Westküste wird von vier großen Golfen geprägt. Am wildesten ist der Golf von Porto mit den bizarren Felsformen der Calanche. Ajaccio ist vor allem die Geburtsstadt des berühmtesten Korsen, Napoleons I. Im Süden ist Bonifacio auf den steilen Kalkfelsen an Korsikas Südspitze die größte Touristenattraktion, aber Porto-Vecchio mit seinem schönen Golf das Touristenzentrum. Die landschaftlich wenig reizvolle Ostküste ist vor allem bei Badefreunden beliebt; die an die Küstenebene angrenzende Region Castagniccia hat im korsischen Unabhängigkeitskampf eine große Rolle gespielt. Mitten im Inselinnern liegt Corte, einst kurzzeitig Korsikas Hauptstadt, heute günstiger Ausgangspunkt für Wanderungen im Zentralgebirge. Für waschechte Wanderfreunde stehen mehrere Fernwanderwege zur Verfügung, auf denen man in mehreren Etappen etwa das Zentralgebirge durchwandern, vom Gebirge ans Meer oder von Küste zu Küste wandern kann.
 
 Geographisches und Klima
 
Die Insel Korsika (französisch La Corse) liegt im westlichen Mittelmeer, etwa 200 km südlich der italienischen Riviera und knapp 100 km westlich der toskanischen Küste. Sie erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung über 185 km, in Ost-West-Richtung 85 km und weist über rund 1 000 km Küste auf. Mit 8 580 km2 Fläche ist sie die viertgrößte und mit über 20 Zweitausendern die gebirgigste Mittelmeerinsel; die höchste Erhebung, der Monte Cinto, misst 2 710 m; das gesamte Gebirgsmassiv bildet fast die Hälfte der Insel und ist von schroffen Gipfeln und tiefen Schluchten gekennzeichnet sowie von Hohlblockbildungen (Tafoni) im Granit und Spuren eiszeitlicher Vergletscherung (Kare, Moränen). Der ungefähr von Norden nach Süden verlaufende Gebirgskamm gliedert die Insel in zwei etwa flächengleiche Teile. Während im Osten dem Bergland eine breitere Küstenebene vorgelagert ist, die Küstenlinie leicht geschwungen ist und breite Sandstrände vorherrschen, fallen die Gebirgszüge im Westen erst in Ufernähe als mehrere Hundert Meter hohe Steilküsten ab, wechseln Kaps und weit ins Land ragende Golfe ab und sind die schmalen Sandstrände oft durch Klippen unterbrochen. Das Klima ist mediterran, nur die Höhen im Innern weisen kontinentale Züge auf. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt etwa 16 ºC; im Hochsommer sind im Küstenbereich 30 ºC üblich, die Wassertemperatur erreicht dann bis zu 25 ºC. Das Wetter wird vor allem durch sieben verschiedenen Winde bestimmt, die unvorhergesehene Wetterumschwünge bewirken können. Meistens weht aus Südwesten der Libecciu, der im Sommer heiße und trockene Luft, im Winter Kälte und Regen bringt. Der unberechenbare Maestrale (Mistral) führt aus Nordwesten kühle und klare Luft mit sich und sorgt für gute Weitsicht. Der Schirokko bringt mit seiner heißen und feuchten Luft aus Süden oft überraschende Gewitter.
 
 Flora und Fauna
 
Mehr als die Hälfte Korsikas ist von der Macchie bedeckt, der typisch mediterranen Buschvegetation. Sie besteht aus zahlreichen Pflanzenarten, vor allem Zistrosen, ferner Affodill, Baumheide, Dornginster, Erdbeerbaum, Lavendel, Mastixstrauch, Myrte, Stechweide, Thymian und Wacholder. Aus ihnen strömt der unverwechselbare Duft, der besonders in der heißen Jahreszeit die Insel beherrscht. Die starke Ausbreitung der Macchie geht auf die Abholzung, die Überweidung sowie die unzähligen, häufig gelegten Waldbrände zurück, die die Macchie mit ihren widerstandsfähigeren Pflanzen als Sekundärvegetation haben entstehen lassen.
 
Es lassen sich drei Vegetationszonen unterscheiden. In den Tieflagen (bis 500—650 m) werden Getreide, Gemüse und Obst angebaut; ansonsten wird Weidewirtschaft betrieben, werden Korkeichen und Ölbäume genutzt. Außerdem wachsen hier Steineichen, Schirmpinien, Aleppokiefern und Palmarten. In der mittleren Vegetationszone (bis 1 000—1 500 m) finden sich an sonnigen Hängen Zitruspflanzen und Ölbäume, in Hochtälern auch Edelkastanien. In Hochwäldern sind die Korsische Schwarz- und Sternkiefer verbreitet. Birken und Weißtannen reichen bis zur Baumgrenze bei etwa 1 800 m. In der alpinen Vegetationszone um 2 000 m sind die meisten endemischen Pflanzenarten anzutreffen wie die Korsische Grünerle; über 2 000 m wachsen Gebirgsblumen wie Ehrenpreis, Grasnelken, Fingerkraut und Gebirgsheiden.
 
Zu den charakteristischen Tierarten gehören vor allem der Mufflon, der endemische Kappenkleiber, ferner Bartgeier, Fischadler, Königsadler, Kormoran und Papageientaucher.
 
Zur Erhaltung der für Korsika typischen Pflanzen- und Tierwelt wurde der korsische Naturpark (Parc Naturel Régional de la Corse) geschaffen; er erstreckt sich von der Nordwestküste (Golf von Porto und Golf von Galéria) über das gesamte Zentralgebirge fast bis zur Südwestküste (von Porto-Vecchio bis Solenzara) und umfasst neben den höchsten Bergen auch die größten Waldgebiete und bedeutendsten Naturschönheiten Korsikas.
 
 Der Norden: Von Bastia über Cap Corse bis Calvi
 
In Bastia kommt der Großteil der Touristen aus Deutschland und den Alpenländern mit der Fähre an, und zwar im Neuen Hafen, über den auch gut die Hälfte des korsischen Güterverkehrs läuft. Die Hauptstadt des Départements Haute-Corse ist mit 38 500 Einwohnern die zweitgrößte Stadt und mit ihren Industrievororten das Beschäftigungszentrum Korsikas. Die beiden Teile der Altstadt Terra Vecchia und Terra Nova befinden sich nördlich und südlich des Alten Hafens, der mit den Fischerbooten und Segelschiffen einen malerischen Anblick bietet. Im Zentrum der Terra Vecchia, des alten Hafenviertels, liegt der Place de l«Hôtel de Ville, der als Marktplatz genutzt wird. Umgeben wird er von der Barockkirche Saint-Jean-Baptiste und den alten Wohnhäusern mit ihren engen Gassen. Die lang gestreckte Place Saint-Nicolas im Norden bildet mit den Restaurants und Straßencafés einen weiteren Touristentreffpunkt, der parallel dazu verlaufende Boulevard Paoli die Hauptgeschäftsstraße. Zur Terra Nova, der Zitadelle, gelangt man vom südlichen Kai des alten Hafens aus. Der Wehrturm und die Festungsmauer stammen aus der frühen Zeit der genuesischen Herrschaft (14. Jahrhundert). Außer alten Häuser, engen Gassen und zwei Kirchen begegnet man in der Zitadelle dem Gouverneurspalast, in dem sich das Museum für korsische Volkskunde befindet.
 
Die Küstenstraße um Cap Corse, das etwa 40 km lange und 15 km breite Vorgebirge im Nordosten, führt durch idyllische Fischer- und Bergdörfer, an genuesischen Wehrtürmen und hervorragenden Aussichtspunkten vorbei. Von der höchsten Erhebung aus, dem Monte Stello (1307 m), lässt sich das ganze Kap überblicken. Nördlich von Erbalunga, einem malerischen Fischerdorf, beginnt die Macchie, die das Kap größtenteils bedeckt. Bei Macinaggio verlässt die Straße die Ostküste und führt an dem Bergdorf Rogliano vorbei über die Ausläufer des Vorgebirges an die steile Westküste des Kaps. Es lohnen sich Abstecher zu dem Aussichtspunkt Moulin Mattei und zu dem Hafenort Port de Centuri. Die Küstenstraße ist äußerst kurvenreich; von Pino bis Canari führt auch eine überdies schmale Höhenstraße.
 
Das Nebbio bildet das fruchtbare Becken um die Schwemmlandebene des Aliso, der bei Saint-Florent ins Meer mündet. Geschützt durch die umgebenden Gebirgsketten, wird das Nebbio landwirtschaftlich stark genutzt (Getreide-, Obst- und Weinanbau, Korkeichen- und Olivenhaine, Weidewirtschaft). Saint-Florent, einst heftig umkämpft, hat sich vor allem wegen seiner feinsandigen Strände zu einem beliebten Touristenort entwickelt. Nördlich der Straße von Saint-Florent nach L`Ile Rousse liegt der Désert des Agriates, ein Ödland, das einst landwirtschaftlich genutzt wurde und heute nahezu unbewohnt ist.
 
Die Balagne im Nordwesten reicht von der Küste bis zu den ersten Gipfeln der Hochgebirgskette; sie gliedert sich in die »fruchtbare« Balagne im Norden mit den Hauptorten L'Ile Rousse und Calvi und in die »öde« Balagne an der Westküste mit Galéria als Hauptort. Neben schönen Stränden hat die fruchtbare Balagne im Hinterland hübsche Bergdörfer inmitten von Getreidefeldern und Weinbergen, Obstgärten und Ölbaumhainen zu bieten; sie wird auch als das »heitere« Korsika bezeichnet. Das Wahrzeichen des Touristenzentrums Calvi (3 600 Einwohner, bis zu 30 000 Besucher) ist die auf einem Felsvorsprung thronende Zitadelle; im 15. Jahrhundert von den Genuesern erbaut, konnte sie erst 1794 von den Engländern erobert werden. Im Fährhafen neben dem Jachthafen landen in der Hochsaison vor allem Fährschiffe aus Nizza und Marseille. In den Cafés und Restaurants am Hafenkai und in der Fußgängerzone der Unterstadt drängen sich dann die Touristenscharen. Vor ihnen kann man ins liebliche Hinterland mit seinen malerischen Bergdörfern flüchten.
 
 Der Westen: Von Porto nach Propriano
 
An der Westküste reihen sich vier große Golfe aneinander: die Golfe von Porto, Sagone, Ajaccio und Valinco. Am wildesten ist die Küstenlandschaft am Golf von Porto. Der charakterlose Touristenort Porto bietet in seiner Umgebung große Attraktionen. Nördlich liegen der reizvolle Golf von Girolata und die Halbinsel Scandola (Naturreservat), die nur zu Fuß oder mit dem Boot zu erreichen sind. Landeinwärts lohnt eine Wanderung durch die großartige Spelunca-Schlucht, die der Fluss Porto durchfließt. Südlich des Golfs finden sich im gelb-roten Granit der Calanche die bizarren Felsformen, deren kugel- oder ellipsenförmige Aushöhlungen durch Tafoniverwitterung entstanden sind; durch die beeindruckende Felslandschaft führen mehrere Wege mit Ausblicken auf den Golf.
 
Ajaccio, Hauptstadt des Départements Corse-du-Sud, streitet seit zwei Jahrhunderten mit Bastia um die politische und wirtschaftliche Vorherrschaft auf der Insel. Jedenfalls ist Ajaccio seit 1982 Sitz des korsischen Regionalparlaments, mit 58 000 Einwohnern die größte Stadt und nicht zuletzt die Geburtsstadt Napoleons I. Gerade auch im Winter ist Ajaccio ein beliebter Aufenthaltsort. Der Hafen wird nur von den französischen Fähren aus Nizza und Marseille angefahren. An den Hafen schließt sich die touristisch relevante Altstadt an. Die Zitadelle stammt aus dem 16. Jahrhundert; vom Militär genutzt, ist sie für Touristen nicht zugänglich. Die Kathedrale Notre-Dame-de-la-Miséricorde, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Stil der italienischen Renaissance gebaut, ist im Innern prächtig gestaltet. Fast allgegenwärtig ist der weltberühmte Sohn der Stadt: Erinnerungsstücke bergen die Maison Bonaparte, Napoleons Geburtshaus, und das Musée Napoléonien mit Familiengalerie im Hôtel de Ville; Denkmäler stehen auf den Places Foch, Général de Gaulle und d`Austerlitz (außerhalb der Altstadt). Im Palais Fesch lagert eine bedeutende Sammlung von Werken italienischer Meister vom 13. bis 18. Jahrhundert, von denen aber nur ein kleiner Bruchteil gezeigt wird.
 
Am mildesten und daher am besten zum Baden geeignet ist der Golf von Valinco. Dessen Hauptort Propriano mit Fährverbindung zum französischen Festland ist nur in der Hochsaison gut besucht. Im Norden des Golfs sind die prähistorischen Fundstätten bei Filitosa mit zahlreichen Menhirstatuen der älteren Megalithiker (3500—1000 v. Chr.) sowie turmartige Kult- und Festungsbauten der sie bekämpfenden Torreaner (ab 1600 v. Chr.) zu besichtigen.
 
 Der Süden: Von Sartène bis Porto-Vecchio
 
Sartène, oberhalb des Rizzanèsetals an einem Hang gelegen, wird gern als »korsischste« Stadt der Insel bezeichnet. Die Geschichte der Stadt war über Jahrhunderte von der Herrschaft der Grundbesitzer und ihren Fehden geprägt; und im Altstadtviertel scheinen die mehrgeschossigen, kleinfenstrigen, festungsartigen Häuser aus Granitblöcken noch eine feindselige Stimmung auszustrahlen. Zentrum ist die Place de la Libération mit der Église Sainte-Marie und dem Hôtel de Ville im einstigen Palais der genuesischen Gouverneure. Das Museum für korsische Frühgeschichte im ehemaligen Gefängnis zeigt Funde aus der Jungsteinzeit bis zur Eisenzeit. Wegen seiner prähistorischen Fundstätten ist auch das reizvolle Umland Sartenais berühmt; sehenswert sind vor allem die Fundstätten von Cauria mit zahlreichen Menhiren aus der frühen Megalithkultur und dem riesigen Dolmen von Fontanaccia sowie die Alignements von Pagliaju mit insgesamt über 250 in Gruppen aneinander gereihten Menhiren.
 
Eine Touristenattraktion ist Bonifacio an der Südspitze der Insel. Erbaut auf einer Landzunge, deren Kalkfelsen bis zu 60 m steil aus dem Meer aufragen, hat die Altstadt ihr spätmittelalterliches Stadtbild mit den engen Treppengassen weitgehend erhalten. Von der modernen Unterstadt mit Fähr-, Fischerei- und Jachthafen gelangt man über eine Treppengasse auf dem Steilfelsen in die Oberstadt, die sonst durch ein Fjord von der Insel getrennt ist. Bedeutende Bauwerke sind die Kirche Sainte-Marie-Majeure, deren Strebebögen mit den umliegenden Häusern verbunden sind, in der Stadtmitte und die Kirche Saint-Dominique, das wichtigste der wenigen gotischen Bauwerke der Insel, hinter der Zitadelle. Von der Place Manichella bietet sich ein großartiger Blick auf die leuchtend weißen, teils überhängenden Kalkfelsen an der Südspitze sowie über die 12 km breite Straße von Bonifacio auf Sardinien.
 
Porto-Vecchio bildet das Touristenzentrum Südkorsikas (8 000 Einwohner, 24 000 Betten). Von den genuesischen Befestigungsanlagen sind Teile der Zitadelle und die Porte Génoise mit Resten der Stadtmauer erhalten. Geeignete Badestrände finden sich im gut geschützten, von sanften Hügeln umgebenen Golf von Porto-Vecchio wie in beiderseits benachbarten Buchten. Lohnenswerte Ausflüge führen zu den prähistorischen Kultstätten mit Monumenten der Torreaner im Umland, so bei Bruschiccia, Ceccia und Tappa im Süden und bei Arraggiu und Torre im Norden (nach der Kultstätte bei Torre sind die Torreaner benannt worden, deren Herkunft unbekannt ist), oder in den Wald von L`Ospedale, einen Kiefernwald in bergiger Landschaft mit vielgestaltigen Tafoniverwitterungen im Hinterland. Landschaftlich höchst reizvoll ist die Strecke von L`Ospedale vorbei am Stausee und Wasserfall Piscia di Gallo nach Zonza, weiter über den Col de Bavella mit prächtigen Ausblicken auf die nadelförmigen Granitspitzen der Bavellagruppe nach Solenzara.
 
 Der Osten: Von Solenzara bis Bastia
 
Nördlich von Solenzara beginnt die Plaine Orientale, eine Küstenebene, die bis Bastia reicht und bis zu 15 km breit ist. Obwohl landschaftlich eher reizlos, ist sie bei Badefreunden wegen ihrer feinsandigen Strände beliebt. Ein Kennzeichen der Ostküste sind die größeren Lagunen, Etangs genannt; am größten ist der Etang de Biguglia südlich von Bastia, der 10 km lang und bis zu 3 km breit ist. In den Etangs werden Fische und Muscheln, vor allem Austern gezüchtet. Jahrhundertelang war in ihnen die Anophelesmücke verbreitet, und die Küstenebene war ein gefürchtetes Malariagebiet. Erst im Zweiten Weltkrieg schafften die Amerikaner mittels DDT Abhilfe, als sie die von den Deutschen besetzten Gebiete zurückeroberten. In der fruchtbaren Schwemmlandebene wird seit den 1950er-Jahren, zunächst gefördert von der französischen Zentralregierung, Getreide, Obst und Gemüse angebaut. Die meisten Ferienorte in der Küstenebene sind gesichtslos; Solenzana gehört zu den Ausnahmen. Aléria, auf einem Hügel an der Mündung des Tavignano gelegen, ist seit der Jungsteinzeit besiedelt. Ausgegraben sind vor allem die Ruinen aus römischer Zeit wie Reste eines Tempels, des Prätoriums, des Forums und der Thermen; bronzezeitliche und antike Relikte sind im Fort Matra, einer renovierten Burganlage aus dem 16. Jahrhundert, ausgestellt. Die südlich von Bastia liegende frühere Kathedrale Santa-Maria-Assunta, 1199 geweiht und später La Canonica genannt, ist die bedeutendste pisanische Kirche auf Korsika. Im 16. Jahrhundert wurde sie zum Teil, der Glockenturm und der Bischofspalast wurden bis auf die Grundmauern zerstört. Die geschichtsträchtige Region Castagniccia reicht von der Plaine Orientale bis zur Linie Ponte Leccia — Corte; im Norden wird sie vom Golo, im Süden vom Tavignano begrenzt. Sie wird vom Monte San Petrone (1 767 m) überragt, der als schönster Aussichtsberg Korsikas gilt, da man von ihm aus das gesamte Zentralgebirge überblicken kann. Ihren Namen hat die Region von den Kastanienhainen, die dort bis ins 18. Jahrhundert genutzt wurden (Kastanienmehl und -holz). Lange Zeit war sie mit ihren fruchtbaren Böden überdurchschnittlich dicht besiedelt. Eine bedeutende Rolle in der Geschichte Korsikas spielte sie vor allem im Rahmen des korsischen Unabhängigkeitskampfes (1729—1769): In verschiedenen Klöstern der Region, vor allem im Kloster von Orezza, versammelten sich die Köpfe der Unabhängigkeitsbewegung zu Consultas, um grundlegende Entscheidungen zu treffen. Die Consulta im Kloster d`Alesani wählte 1736 Baron Theodor von Neuhoff, der Unterstützung aus dem Ausland zugesagt hatte, als Theodor I. zum ersten und letzten König von Korsika; der Glücksritter verließ seine Residenz im Bischofspalast von Cervione, dem größten Ort der Region (1 500 Einwohner), noch im selben Jahr unverrichteter Dinge. In Morosaglia wurde 1725 der »Vater des Vaterlands«, der Volksheld Pasquale Paoli geboren, der 1755 von der Consulta im Kloster Saint-Antoine de Casabianca zum General der Nation gewählt wurde. Unter seiner Leitung gelang es, den Großteil der Insel von der Herrschaft der Genueser zu befreien. Nachdem die Genueser 1768 die Insel Frankreich verpfändet hatten, wurde Paoli 1769 bei Ponte Nuovo im unteren Golotal von den Franzosen vernichtend geschlagen.
 
 Das Inselinnere: Corte und Zentralgebirge
 
Corte mitten im Inselinnern war zur Zeit des korsischen Unabhängigkeitskampfes heftig umkämpft. Paoli ernannte sie 1755 zur Hauptstadt und gründete 1765 eine Universität. Die Zitadelle, auf einem Felsen oberhalb der Einmündung der Restonica in den Tavignano errichtet (ab 14. Jahrhundert), beherrscht das Stadtbild; sie beherbergt heute das Museum für korsische Geschichte. Im Mittelpunkt der Altstadt (Ville Haute) befindet sich die Place Paoli mit dem Standbild des korsischen Freiheitshelden, an höchster Stelle um die Place Gaffori stehen die Eglise de l`Annonciation und das Palais National, das einst Residenz der genuesischen Verwaltung und von 1755 bis 1769 Paolis Regierungssitz war. Der Cours Paoli bildet die zentrale Achse durch den neueren Teil Cortes; er führt von der Place Paoli zum Hôtel de Ville.
 
Das Zentralgebirge in der Umgebung von Corte bietet mit seinen Schluchten, Hochtälern, Bergseen und Gipfeln zahlreiche Ausflugs- und insbesondere Wandermöglichkeiten. Von Corte aus lässt sich die Tavignano-Schlucht nur auf einem Saumpfad erwandern. Die Restonica-Schlucht ist durch eine Fahrstraße erschlossen, die bei einer Bergerie endet; sie ist Ausgangspunkt stark frequentierter Wanderwege zu mehreren Gebirgsseen sowie zum Monte Rotondo (2 622 m), dem zweithöchsten Berg der Insel. Durch die Scala di Santa Regina, die wildeste Schlucht Korsikas, nordwestlich von Corte führt eine Straße oberhalb des Golo von Castirla bis Calacuccia. Die Straße führt weiter am Stausee von Calacuccia vorbei zunächst durch das Hochtal des Golo, zuletzt durch den Wald von Valdu Niellu, dem größten Wald der Insel, der größtenteils aus korsischen Schwarzkiefern besteht, bis zum Col de Vergio, dem höchsten Straßenpass (1 477 m), der das Inselinnere mit der Westküste bei Porto verbindet. Durch das Asco-Tal und die Asco-Schlucht führt eine Straße, die hinter Ponte Leccia beginnt und bei dem Ferienort Haut-Asco endet; von dem Dorf Asco führt ein Weg hinunter zur viel fotografierten Genueserbrücke über den Asco. Das Hochtal des Asco ist vor allem als Ausgangspunkt von Hochwanderungen beliebt, wie zum Monte Cinto, dem höchsten Berg der Insel.
 
Richtung Süden führt die Nationalstraße, die Bastia mit Ajaccio verbindet, von Corte zum Col de Vizzanova, von dessen einstiger strategischer Bedeutung die Ruinen eines genuesischen Forts künden. Der Ferienort Vizzanova inmitten des gleichnamigen Waldes wird vom Monte d«Oro (2 389 m) überragt. Vom Col de la Serra bei Vivario führt eine größtenteils einspurige, landschaftlich reizvolle Straße über den Col de Sorba nach Ghisoni, dem Hauptort des Berglands Fiumorbo, weiter zum Col de Verde (1 289 m). Das im Süden des Col de Verde beginnende südliche Bergland hat kaum noch alpinen Charakter; es hat erheblich weniger Attraktionen als das nördliche und das zentrale Bergland zu bieten und wird deshalb auch von Touristen eher vernachlässigt. Seine höchste Erhebung ist der Monte Incudine (2 136 m); der größte Ort ist Aullène (1 600 Einwohner). Bedeutende prähistorische Funde sind im Musée Départemental in Levie zu besichtigen, auf dem Plateau von Levie liegt die torreanische Festung Castellu di Cucurruzzu. Bei Natur- und Wanderfreunden sind besonders Korsikas Fernwanderwege beliebt. Am bekanntesten ist der GR 20 (»GR« steht für Grande Randonnée), der von Calenzana (südöstlich von Calvi) auf dem Grat des Zentralgebirges an fast allen Gipfeln über 2 500 m entlang bis Conca (nördlich von Porto-Vecchio) führt. Der etwa 170 km lange Weg verläuft großteils auf über 2 000 m Höhe und bietet Unterkünfte in meist nicht bewirtschafteten Hütten (in der Hauptreisezeit oft überfüllt); in 15 Etappen sind insgesamt fast 10 000 m Höhenunterschied zu überwinden. Obwohl viel begangen, ist er nur für geübte Bergwanderer geeignet. Eine weniger anspruchsvolle, aber sehr reizvolle Alternative stellt der Fernwanderweg Tra Mare e Monti dar, der ebenfalls in Calenzana beginnt, allerdings in geringerer Höhe und kürzeren Teilstücken durch bewirtschaftete Gegenden und bewohnte Dörfer nach Cargèse an die Westküste führt. Ebenfalls in Cargèse endet der Traversée Nord, der im Zentrum Korsikas, in Sermano bei Corte, beginnt und sieben Tage beansprucht. Im Süden führt der Traversée Sud in sechs Etappen von der Ost- zur Westküste, nämlich von Porto-Vecchio über das niedrigere südliche Bergland nach Propriano.
 
Korsika-Handbuch, Beiträge von
 
 
Korsika, hg. v. Jutta Schütz (Berlin 1994)
 Norbert Nepaschink und Karl Wolfgang Biehusen: Korsika. Köln 1997.
 René Goscinny und Albert Uderzo: Asterix auf Korsika. Aus dem Französischen. Neuausgabe Stuttgart 1998.
 Hans Otzen: Korsika. Köln 31998.

Universal-Lexikon. 2012.

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